
Dieses Glas steht seit einigen Jahren in meiner Schöne-Erinnerungen-Vitrine. Ganz oben und ganz vorne in Sichtweite – zusammen mit skurrilen Preisen und kleinen Dankeschöns, die ich irgendwann einmal am Ende von Veranstaltungen in die Hand gedrückt bekam. Eine Etage tiefer sammele ich meine Belegexemplare und meiner Dissertation. Okay, Letztere ist aufgrund ihres Umfangs und der hohen Kilozahl im untersten Regalboden eingeräumt und dient lediglich dem Zweck, den dreißig Jahre alten Trophäenschrank statisch in Schach zu halten. Ich habe ja keine Lust, dass dieses Bollwerk der niedrigpreisigen Wohnmöbelgestaltung irgendwann auf die davor stehende Betrachterin kippt.
Wer sich selbst schon einmal gefragt hat, warum man sich monatelang mit dem (gefühlt sinnlosen) Verfassen von Abschlussarbeiten beschäftigen soll, die (gefühlt) niemand liest: Zumindest können sie als Motivationshilfe fürs weitere Leben dienen. Ob der Aufwand für den Outcome an Erkenntnissen lohnt, muss man selbst entscheiden. Manchmal zeigt es sich auch erst Jahre später. Hier ein Auszug aus den Motivationshilfen, die das dickste Buch meiner Schreibhistorie für mich persönlich produziert hat:
- Du schaffst das.
- Ein Schritt nach dem anderen!
- Fang einfach irgendwo an …
- Du bist nicht allein.
- Durchhalten lohnt sich.
- Du darfst dir Pausen gönnen.
- Guck doch mal, was du geschafft hast!
Zurück zum oben abgebildeten Glas: Es war das Abschiedsgeschenk einer Mitpatientin in einem meiner Tagesklinikdurchläufe. Für alle zehn Gruppenmitglieder hatte sie Motivationssprüche liebevoll auf bunte Zettelchen geschrieben. Manchmal ziehe ich morgens eins, und es trägt mich ein wenig durch den Tag. Manchmal notiere ich auch selbst Sprüche und lege sie dazu. Heute: Hoch die Hände, Wochenende! Klingt simpel, war aber ein jahrzehntelanger Weg vom 24/7-Dauerrödeln zum Pausegönnen. Zugegeben, manchmal ist es mit den Sinnspruchzetteln wie mit der Doktorarbeit: Lesen tut’s ja eh niemand. In diesem Sinne.
