Schnatt am Kalenderblatt (10.07.2021): Aufgeschoben ist doch aufgehoben

Für später nämlich. Heute ist das ‚Später‘ von gestern. Und just gestern sprachen mein Erstgeborener und ich über zu erledigende Aufgaben, über Deadlines, über das Phänomen, Dinge aufzuschieben. Meine persönliche Haltung dazu:

„I need that ‚last minute panic‘ to be creative.“ (frei nach meinem Lieblings-Calvin & Hobbes-Comic).

Ich weiß, die allgemein herrschende Einstellung dazu ist nicht so entspannt. Im Leben geht es häufig um Effizienz, um Leistung, um Fleiß. Bloß nicht auf der faulen Haut liegen! Unser Omma mahnte daher täglich: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“ Warum eigentlich nicht? Hier meine 5 bisherigen Hypothesen:

  1. Vielleicht ‚könnte‘ ich ja, ‚will‘ aber nicht. (Wenn mir das bewusst ist, könnte ich überlegen, warum es dann überhaupt auf meiner To Do-Liste steht. Ansonsten wäre es Zeit, vielleicht mal darüber nachzudenken, ob es nicht sein kann, dass ich im Grunde meines Herzens gar nicht will. Einfach mal das Hamsterrad kurz anhalten, hinspüren und auf seinen/ihren Bauch hören.)
  2. Vielleicht ‚will‘ ich ja, ‚sollte‘ aber besser nicht. (Weil es mir vielleicht nicht gut tut. Weil ich mich ausnutzen lasse und ich an dieser Stelle prima üben könnte, mich abzugrenzen und auch mal NEIN zu sagen. Weil es eigentlich über meine Kräfte geht und ich besser Kraft schöpfen, als sie noch weiter reduzieren sollte.)
  3. Vielleicht ‚sollte‘ ich ja, ‚kann‘ aber eigentlich nicht. (Vielleicht ist es ja auch generell nicht das Richtige für mich. Vielleicht überstrapaziert es meine Ressourcen und ignoriert meine wahren (In-)Kompetenzen. Vielleicht sollte ich stattdessen etwas machen, das mir leichter fällt, besser zu mir passt und mir somit auf Dauer in die Karten spielt.)
  4. Vielleicht ‚kann‘ ich ja, ‚sollte‘ aber vielleicht besser doch nicht. (Zeit ist schließlich endlich und man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Kann nicht – und sollte nicht. Denn auch der persönliche Akku ist endlich. Wenn man dauerhaft auf Reservetank fährt, kann sich die Batterie irgendwann nicht mehr richtig aufladen. Okay, Kfz-technisch ergibt das jetzt keinen Sinn, nur metaphorisch. Aber deshalb schreibe ich und repariere keine Autos. Ich kann nicht – und ich sollte nicht. Aus Gründen, siehe oben.)
  5. Vielleicht ‚kann‘ ich ja, ‚könnte‘ aber später besser. (Nämlich dann, wenn der Gedanke ausgereift ist, wenn ich drüber geschlafen habe, wenn meine Wut verraucht ist, ich etwas fitter bin oder mehr geübt habe. Das ist jetzt bitte nicht als Plädoyer für Perfektion und hohen Anspruch zu verstehen. )

Und wisst ihr was? All das wäre und ist völlig in Ordnung!

Wir sollten aufhören, von ‚Aufschieberitis‘ zu sprechen, als wäre es eine Krankheit. Nicht das Aufschieben ist die Krankheit (meistens jedenfalls), aber auf Dauer besteht die Gefahr, dass man krank wird, wenn man immer wieder über seine Grenzen geht. Wenn man dauerhaft Dinge macht, die man eigentlich nicht möchte, die man in Wirklichkeit gar nicht mag, die einen nicht glücklich machen.

Wir sollten aufhören, von ‘Prokrastination‘ zu sprechen. Das Wort klingt ja schon, als wäre es pathologisch! Akromioklavikulargelenkluxation, Obstipation, Prokrastination. Da krieg ich Aggression, echt getz ma. Und Frustration. Denn es ist maximal ein Symptom, eigentlich nur ein Hinweis an mich selbst, einmal drauf zu schauen und zu überprüfen, warum ich dieses eine (immer wieder?) aufschiebe.

Ui, langgeworden, dieses Blögchen heute. Das reicht jetzt für eine Woche. Ich schiebe den nächsten Beitrag wohl noch etwas auf. In diesem Sinne.

Mal die Schotten dicht machen, die eigenen Grenzen kennen und nicht durch jede Tür gehen – kurz: sich wichtig nehmen und für sich sorgen. (Foto: privat)

Schnatt am Kalenderblatt (08.07.2021): Für Kopf und Körper und Kafka

Mal was anderes:
Während ich gestern darin vertieft war, weiter an dieser Internetseite zu basteln, eilte die nette Postzustellerin eifrig die Außentreppe zu meiner Wohnung hinauf. Ich ‚höre‘ ihr Erscheinen schon immer Minuten vorher, denn – ihr ahnt es – „irgendwo bellte ein Hund“. Soll heißen: mein Hund. Neben mir. Sekunden später schwingt dann die besagte Außentreppe unter den dynamischen Schritten der blau-gelben Dame. (Okay: präzise, aber fehlleitende Beschreibung, denn jetzt könnte man denken, sie wäre ein Minion oder würde mit Nachnamen Simpson heißen, Egal, tut echt nichts zur Sache. Weiter im Text.)

Irgendein Antiquariat in Irgendwo hatte mir ein – zwecks Eselsohrenprävention liebevoll in Packpapier eingewickeltes – Buch geschickt, das ich tags zuvor erst bestellt hatte. (Ich wäre sicherlich mit meinem Studium ein paar Jahre schneller fertig geworden, wenn so etwas damals schon möglich gewesen wäre. Also nicht das mit dem Packpapier, sondern das online Recherchieren, Bestellen, Liefern. Aber auch das tut nichts für die Anekdote. Ich muss mich mehr fokussieren.)

Jedenfalls: Das heißbegehrte Buch brauche ich zwecks Recherche für ein ultrageheimes Geheimprojekt, und jetzt bin ich froh, dass es da ist. Pessoa ist nun an sich keine leichte Kost, eher undurchdringlich kafkaesk. Man muss sich halt in die Texte hineinknabbern wie ein Eichhörnchen, das eine hartnäckige Haselnussschale mit seinen niedlichen Nagezähnchen knacken möchte und die Frucht dabei wieder und wieder in den putzigen Pfötchen wendet, bis die Schale endlich Stück für Stück bröckelt. Nichts für zwischendurch also. Nichts für am Ende eines langen Tages, wenn der mentale Arbeitsspeicher schon auf Reservetank fährt.

Freundlicherweise hat der Händler dem Päckchen einen Gutschein beigelegt – ihr kennt das. Ich freue mich verhalten optimistisch und checke, ob ich den überhaupt gebrauchen kann. Dem intellektuell herausfordernden Anlass angemessen hätte ich jetzt vermutet: satte Rabatte für eine Kiste Rotwein, zwei Lesebrillen zum Preis von einer oder 5 % auf einen T-Shirt-Druck mit Sinnspruch meiner Wahl. Weit gefehlt – und wesentlich kreativer: Dem Päckchen lag ein Unterwäschegutschein bei. Von Schiesser. Ja, ihr lest richtig. Wahrscheinlich, damit ich mir das einengende bourgeoise Alltagsgewand abstreifen und mir im Feinripp das mühsame literarische Aufknabbern so angenehm und körperlich wie geistig so befreit wie möglich gestalten kann. Nette Idee eigentlich. Irgendwie.

Ich bin dann mal kurz weg: eine weiße Untergarnitur bestellen. Das Eichhörnchen, das täglich in meinem Balkonkasten wühlt, werde ich übrigens ‚Kafka‘ taufen.
In diesem Sinne.

Serviervorschlag

Schnatt am Kalenderblatt (05.07.2021): Damals war mehr Wetter

5. Juli 2018 – 42 Grad, was sonst? (Foto: privat)

Die (Jahres-)Zeiten ändern sich. Heute vor genau drei Jahren so: „Wer braucht schon Urlaub? 42 Grad auf Balkonien. Die Füße ziehen kleine Kreise im Planschbecken.“ Heute so: Mal was anderes. Ruhrgebiet, 15 Grad, Starkregen, die Frisur fließt. Die Füße ziehen kleine Wellen in den Pfützen nach sich.

Aber mal ehrlich: Gibt es ein idealeres Schreibwetter? Nun gut, es steht zu befürchten, dass die Geschichte etwas dunkler wird als geplant, vielleicht lasse ich es darin auch starkregnen. Vielleicht bellt auch am Ende wieder mal irgendwo ein Hund. Irgendein begossener Pudel, dem es die Schlappohren heruntertropft, während ‚Vati‘ mit Schirm und Schlappen den bemitleidenswerten Bello durch den Kiez zieht. Da hilft auch das Übergangsmäntelchen nix, das ‚Mutti‘ ihm angezogen hat. Also dem Hund, nicht dem Herrchen. Das ist ja schließlich nicht aus Zucker.

In diesem Sinne.