Die (Jahres-)Zeiten ändern sich. Heute vor genau drei Jahren so: „Wer braucht schon Urlaub? 42 Grad auf Balkonien. Die Füße ziehen kleine Kreise im Planschbecken.“ Heute so: Mal was anderes. Ruhrgebiet, 15 Grad, Starkregen, die Frisur fließt. Die Füße ziehen kleine Wellen in den Pfützen nach sich.
Aber mal ehrlich: Gibt es ein idealeres Schreibwetter? Nun gut, es steht zu befürchten, dass die Geschichte etwas dunkler wird als geplant, vielleicht lasse ich es darin auch starkregnen. Vielleicht bellt auch am Ende wieder mal irgendwo ein Hund. Irgendein begossener Pudel, dem es die Schlappohren heruntertropft, während ‚Vati‘ mit Schirm und Schlappen den bemitleidenswerten Bello durch den Kiez zieht. Da hilft auch das Übergangsmäntelchen nix, das ‚Mutti‘ ihm angezogen hat. Also dem Hund, nicht dem Herrchen. Das ist ja schließlich nicht aus Zucker.
Einfach so: ein paar Blümchen für dich. Mal was anderes. Mögen sie dir zum Wochenstart ein Lächeln bringen und etwas Farbe und Freude und die Einsicht, dass am Straßenrand den Blick kurz zu senken, momentglücklich machen kann.
… stand plötzlich im Türrahmen und in meinem Leben. Exakt heute vor fünf Jahren. Wo? Nun, da müsst ihr schon das Video schauen, Carsten Koch entlockt es uns als Gastgeber bei der LangLese Wuppertal im Interview zu unserem Kurzprogramm (45 min) „Wenn wer wen kennt“.
Hast du uns eigentlich schon mal in Lesebühnenaktion gesehen? Nein? Dann keine Ausrede – hier geht‘s lang zu unserer allerersten Aufzeichnung. (Erstausstrahlung war am 17. Juni 2021, das Video auf YouTube ist aber weiterhin kostenlos abrufbar.)
Ehrlich gesagt: Was war diese Aufzeichnung für ein Kampf und Krampf für uns … Kein Publikum, mit dem wir schäkern* konnten (*Benutzt eigentlich noch irgendwer heutzutage diesen Begriff?), keine Lacher zwischendurch, keine Tränchen, die zu trocknen waren, keine Mitmachaktionen. Ganz schön still, so eine Aufzeichnung in Pandemiezeiten. Und es ist wirklich komisch, wenn man das Programm, das man normalerweise auf der Bühne von vorne bis zum Schluss ‚durchlaufen‘ lässt, alle paar Augenblicke für ein ‚Freeze‘ und eine neue Kameraeinstellung unterbrechen muss. Immerhin sind hierdurch echt witzige Schnittstellen im Video entstanden, und wir gucken zuweilen sekundenlang etwas grenzdebil und stehen da wie das Reh auf der Landstraße, aber hey: alles für die Kunst!
Wir waren so mutig, euch das Video trotzdem zu zeigen. Nun müsst ihr nur noch so mutig sein, es euch anzusehen. 😉 Wir sehen uns!? Hoffentlich bald wieder live.
Geht es euch auch zuweilen so, dass andere euch für irgend etwas loben und ihr selbst abwinkt?
a) „Dein Salat ist lecker!“ Ach, das war der erste Versuch. Ich hatte gar keine Zeit zum Vorbereiten, ging ganz schnell, ich hab einfach irgendwas zusammengekippt. b) „Der Pulli steht dir super!“ Ach, der ist ganz alt / war ein Schnäppchen / den hab ich irgendwie aus dem Schrank gezogen / von meiner Schwester geliehen / der hat hier schon ein Loch / ist verwaschen. c) „Das Bild ist schön geworden!“ Ach, hör auf … Findest du? Aber andere können viel schöner … “
Ja, vielleicht, aber das hier habe ich gemacht. So, wie ich es konnte. So, wie ich es wollte. Und so ist es gut. Und ich darf ruhig mal zugeben: Für den Salat habe ich eine Stunde geschnippelt, obwohl ich eigentlich keine Lust hatte – und ich freue mich wie Bolle, dass das die Mühe anscheinend wert war. Und ja, ich finde auch: Die Pullifarbe steht mir ganz ausgezeichnet! Und das Bild? Nun, es ist ein Schmierblatt, auf dem ich Farbreste abgestrichen habe. Aber hey, sieht dennoch irgendwie interessant aus, oder? Und wer weiß: Vielleicht wird ja noch ‚was‘ draus. Aber wenn mir jemand gutes Geld dafür bietet, weil sie oder er es für ein großes Kunstwerk hält: nur zu, zu diesem Zweck löse ich gerne meine Privatsammlung auf und trenne mich von dem Oeuvre.
Gestern vor sieben Jahren: 23.06.2014, Tag 10 (und somit letzter Tag) meines Schreiburlaub in Portugal. Ich saß frühmorgens – also so richtig wirklich früh – mit meinem Laptop am Strand und schaute abwechselnd auf den Bildschirm und aufs Meer. Die Temperatur war noch angenehm, wie immer wehte ein frisches Lüftchen. Die paar Möwen kümmerten sich nicht um meine zukünftige Bestsellerliteratur, alle zukünftigen Leser:innen schliefen noch.
Soweit, so friedlich. Ich starre aufs Wasser, denke vermutlich über den nächsten Satz nach.
Und dann kam wirklich ‚mal was anderes‘: Plötzlich schleicht von rechts an der Wasserkante ein Traktor in mein Blickfeld, der ein restauriertes altes Boot wie einen störrischen Rauhaardackel hinter sich herzieht. Der Trecker tuckert, das Bötchen schleift über den Sand, die Besatzung sitzet stumm in dem Fischerbötchen rum. Ich nehme „Skurrile Strandsituationen 200“ und möchte lösen:
Nein, das war nicht die portugiesische Version der „grün-roten Engel“ der ADAC-Atlantik-Außenstelle, auch keine preiswerte Kirmesattraktion mit ganz viel Lokalkolorit: „Steigen Sie ein, ein Kilometer ein Euro, und jeeeeeeeeetzt … rückwärts!“ Hing auch kein Schild dran „Junger Mann zum Mitreisen gesucht.“ Auch handelte es sich angeblich nicht um einen verspäteten Wagen des Nazarener Karnevalsumzugs. Mich hat auch keiner der vier beteiligten Männer nach dem Weg gefragt. Aber das wäre ja auch nicht zu erwarten.
Wenn Ihnen mal ein Trecker mit einem Kahn dran wie ein Requisit quer durch Ihre Lebenskulisse gezogen wird: Spielen Sie ruhig weiter, hier gibt es nichts zu sehen!
Eben nichts ist anders: Alles ist gleich richtig und gleich wichtig. Du bist richtig. Du bist wichtig – so wie du bist. Everywhere under the rainbow. Wie sagt schon das Kölsche Grundgesetz? „Jede Jeck ist anders.“ Also: Leben und leben lassen!
Regenschirm statt Sonnenbrille, Pulli statt Badehose, Socken statt Flipflops, Pfefferminztee statt After Eight-Eis. Es ist so kühl, dass es nicht einmal mehr nach Sommerregen auf dem Asphalt riecht. Nach Sonnenmilch schon gar nicht. „Aber die Pflanzen brauchten es ganz dringen“, gab unser Omma immer zu bedenken, wenn die Kinder maulig waren.
Okay, liebe Bäume, Sträucher, Felder, Wälder, Bienchen und Blümchen: Hopphopp, schnell gesüppelt und den Tank wieder aufgefüllt – es ist Sommer und das Freibad ruft! Und die gute Sonnenlaune möchte aus dem Bällebad abgeholt werden und wieder auf im Balkon-Büro Platz nehmen.
„Heute regnet es. Die doofe eine Wolke von gestern hatte gepetzt und ihre Freunde mitgebracht.“ War zu Sommerbeginn 2014 in Portugal so – war 2021 Ruhrpott so. Na ja, irgendwoher muss(te) das Grün ja kommen, also: „Wasser marsch!“ Die Facebook-Erinnerung zu meinem Schreiburlaubsblogeintrag vor sieben Jahren erinnerte mich auch daran, dass ich damals mit meinem einzigen Schuhwerk – Flipflops – doch arg unterbeschuht daherkam:
„Damit ich auch bei Wasser Marsch machen konnte, wollte ich die Flipflops durch etwas Adäquates, sprich: Agua-Taugliches ersetzen. Gemäß dem Motto ‚Aschenputtel ist der beste Beweis dafür, dass ein Paar Schuhe dein Leben verändern kann‘ war ich wild entschlossen, Devisen gegen Fußbekleidung zu tauschen. Sind ja hier günstig (aus landeseigener Produktion – buy local!) und zudem hübsch anzuschauen.“ Da würde doch etwas zu finden sein! Dachte ich. Ja, wenn man tatsächlich Aschenputtel ist, von einem Prinzen hofiert wird, der einem festes Schuhwerk hinterherträgt und man maximal Schuhgröße 36 besitzt. (Realitätscheck: Nein. Leider nein. Auch nicht.)
Damals also: Satz mit X und nasse Füße. Heute: ebenfalls nasse Füße, obwohl angemessenes Schuhwerk durchaus vorhanden. (Dieses hatte allerdings die Nacht bei Starkregen draußen vor der Haustür verbracht, wo es zuweilen auf seinen nächsten Einsatz wartet. Tja, irgendwas is‘ immer.)
„Fenster auf, ich geh kaputt!“ (Er ist noch gar nicht ganz zum Dienst erschienen, schon marschiert Bürokollege A von der Tür schnurstracks durch zur Fensterfronst und reißt am ersten Fenstergriff.) – „Mach das zu – es zieht!“ (Kollegin B zieht demonstrativ ihr Strickjäckchen über.) – Ebenso demonstratives Augenrollen von Kollegin C, die mit ihrem spanischen Papierfächer zuerst den frisch lackierten Fingernägeln, dann sich selbst Luft zuwedelt. (Okay, eine Portion zu viel Klischee – ich ziehe die Maniküre zurück.) – Am Schreibtisch über Eck bringt Kollegin D energisch den unerlaubt eingeschleusten Tischventilator ins Rotieren. Kollege E dreht auf Knopfdruck ebenfalls am Rad und sammelt die Blätter 1 bis 5 seiner Tischvorlage UNTER demselbigen zusammen. – „Is‘ noch keiner erstunken, hahaha“, lacht Kollege F aus den Tiefen seines Bierbauchs heraus und versucht reihum per Augenkontakt Beifall einzusammeln. … Sommer im Großraumbüro.
Was lob ich mir, in meinem Outdoor-Office Herrin über alle erwünschten Erfrischungsmaßnahmen sein zu dürfen. Herrlich, diese heißen Home-Office-Tage! Ich kann atmen, wie viel und wann ich will, der Kaffee schmeckt, und der einzige Besuch des Tages, der etwas von mir will, ist das Eichhörnchen, das mich aber ansonsten mit Small Talk verschont und huschhuschhuschhüpfhüpf wieder in der Eiche verschwindet. … Sommer im Balkon-Büro.
Ich hör euch schon: „Aber ich freue mich jeden Tag auf die Kolleg:innen!“ Tja, irgendwas is‘ ja immer.
Heute spülte mir Facebook freundlicherweise eine Erinnerung an einen Urlaubstag vor 7 Jahren in die Timeline. Damals: WM in Brasilien, heute: EM auf dem Balkon. Ganz schön schräg, aber seht selbst:
19.6.2014, Tag 6 Heute war ein Tag mit Schieflage: Auf meiner frühmorgendlichen Kopf-klar-kriegen-und-Ideen-sammeln-Wanderung bin ich den Strand einfach mal verwegenerweise ‚falsch herum‘ gelaufen. Vom Hafen Richtung Klippe. Von wegen „neue Perspektive“ und so.
Das war die Wurzel allen Übels, glaube ich. Schon lief es nämlich nicht mehr rund. Und geradeaus auch nicht, wenn man es genau nimmt. So musste ich meine Tour nach nur zwei Stunden statt der täglichen vier wegen anhaltenden Fuß-Auas abbrechen. (Okay, wenn ich Millionen dafür bekommen hätte, hätte ich noch weiterhin versucht, Tore zu schießen, aber in Ermangelung von sowohl Zahlungseingängen auf meinem Urlaubskonto als auch einem Lederball habe ich einfach mal einen auf Fußball-Memme gemacht und rumgeheult. Kam aber keiner mit Wasserflasche oder Trage angelaufen. Doof, das. Die Sportärzte sind wohl gerade alle in Brasilien. Na ja, soll’n sie doch. Meine Versichertenkarte gilt ja hier eh nicht…)
In der Oberstadt wieder angekommen, hielten sich weder das Wetter noch Hamlet an die gestern gemachten Vereinbarungen: Beide zeigten sich äußerst störrisch und fluchresistent. Gemäß den Empfehlungen wohlmeinender Autorenmitmenschen bin ich dann nach kurzer schöpferischer Sinnkrise einfach mal kürzer getreten. (Hab kleinere Schritte gemacht auf der Wanderung. ) Habe mich entspannt. (Memo an mich selbst: Ist das anstrengend!), Habe dumpf in die Landschaft und aufs Meer und auf die Wolken und auf den Strand und auf die Schwalben und in mein Buch und wieder zurück gestarrt.
Jaja, ihr habt ja recht: Morgen ist auch noch ein Tag. Steht zumindest auf dem WM-Spielplan. Und der muss es ja wissen…
In diesem Sinne.
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