Für später nämlich. Heute ist das ‚Später‘ von gestern. Und just gestern sprachen mein Erstgeborener und ich über zu erledigende Aufgaben, über Deadlines, über das Phänomen, Dinge aufzuschieben. Meine persönliche Haltung dazu:
„I need that ‚last minute panic‘ to be creative.“ (frei nach meinem Lieblings-Calvin & Hobbes-Comic).
Ich weiß, die allgemein herrschende Einstellung dazu ist nicht so entspannt. Im Leben geht es häufig um Effizienz, um Leistung, um Fleiß. Bloß nicht auf der faulen Haut liegen! Unser Omma mahnte daher täglich: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“ Warum eigentlich nicht? Hier meine 5 bisherigen Hypothesen:
- Vielleicht ‚könnte‘ ich ja, ‚will‘ aber nicht. (Wenn mir das bewusst ist, könnte ich überlegen, warum es dann überhaupt auf meiner To Do-Liste steht. Ansonsten wäre es Zeit, vielleicht mal darüber nachzudenken, ob es nicht sein kann, dass ich im Grunde meines Herzens gar nicht will. Einfach mal das Hamsterrad kurz anhalten, hinspüren und auf seinen/ihren Bauch hören.)
- Vielleicht ‚will‘ ich ja, ‚sollte‘ aber besser nicht. (Weil es mir vielleicht nicht gut tut. Weil ich mich ausnutzen lasse und ich an dieser Stelle prima üben könnte, mich abzugrenzen und auch mal NEIN zu sagen. Weil es eigentlich über meine Kräfte geht und ich besser Kraft schöpfen, als sie noch weiter reduzieren sollte.)
- Vielleicht ‚sollte‘ ich ja, ‚kann‘ aber eigentlich nicht. (Vielleicht ist es ja auch generell nicht das Richtige für mich. Vielleicht überstrapaziert es meine Ressourcen und ignoriert meine wahren (In-)Kompetenzen. Vielleicht sollte ich stattdessen etwas machen, das mir leichter fällt, besser zu mir passt und mir somit auf Dauer in die Karten spielt.)
- Vielleicht ‚kann‘ ich ja, ‚sollte‘ aber vielleicht besser doch nicht. (Zeit ist schließlich endlich und man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Kann nicht – und sollte nicht. Denn auch der persönliche Akku ist endlich. Wenn man dauerhaft auf Reservetank fährt, kann sich die Batterie irgendwann nicht mehr richtig aufladen. Okay, Kfz-technisch ergibt das jetzt keinen Sinn, nur metaphorisch. Aber deshalb schreibe ich und repariere keine Autos. Ich kann nicht – und ich sollte nicht. Aus Gründen, siehe oben.)
- Vielleicht ‚kann‘ ich ja, ‚könnte‘ aber später besser. (Nämlich dann, wenn der Gedanke ausgereift ist, wenn ich drüber geschlafen habe, wenn meine Wut verraucht ist, ich etwas fitter bin oder mehr geübt habe. Das ist jetzt bitte nicht als Plädoyer für Perfektion und hohen Anspruch zu verstehen. )
Und wisst ihr was? All das wäre und ist völlig in Ordnung!
Wir sollten aufhören, von ‚Aufschieberitis‘ zu sprechen, als wäre es eine Krankheit. Nicht das Aufschieben ist die Krankheit (meistens jedenfalls), aber auf Dauer besteht die Gefahr, dass man krank wird, wenn man immer wieder über seine Grenzen geht. Wenn man dauerhaft Dinge macht, die man eigentlich nicht möchte, die man in Wirklichkeit gar nicht mag, die einen nicht glücklich machen.
Wir sollten aufhören, von ‘Prokrastination‘ zu sprechen. Das Wort klingt ja schon, als wäre es pathologisch! Akromioklavikulargelenkluxation, Obstipation, Prokrastination. Da krieg ich Aggression, echt getz ma. Und Frustration. Denn es ist maximal ein Symptom, eigentlich nur ein Hinweis an mich selbst, einmal drauf zu schauen und zu überprüfen, warum ich dieses eine (immer wieder?) aufschiebe.
Ui, langgeworden, dieses Blögchen heute. Das reicht jetzt für eine Woche. Ich schiebe den nächsten Beitrag wohl noch etwas auf. In diesem Sinne.
Schreibt mir mal, wie IHR darüber denkt!
Beste Blögchengrüße
Claudia
Interessanter Ansatz, durch die olle Digitalisierung ist das kleine Männchen im Kopf (schneller, schneller, los jetzt) bei manchem inzwischen ja fest verankert und unsereins denkt neidisch an die Zeiten ohne Smartphone und Unerreichbarkeiten zurück.
Damals …
Aber bedenke: die wenigsten Menschen äußern auf dem Sterbebett das Bedauern, nicht doch ein bisschen länger im Büro geblieben zu sein.